Nick Brauns, Journalist und Aktivisit des Berliner TEKEL Komitees
1)Was macht das TEKEL Komitee in Berlin?
Das Berliner Solidaritätskomitee mit dem Tekel-Streik wurde von über einem Dutzend sozialistischer und antifaschistischer Organisationen und Parteien, migrantischer Vereine und Kulturorganisationen gebildet. Ihm gehören auch eine Reihe gewerkschaftlicher Aktivisten und Vertrauensleute an und mehrere Abgeordnete der Partei DIE LINKE aus dem Bundestag und dem Berliner Landtag unterstützten unsere Arbeit. Wir haben bislang zwei Kundgebungen mit jeweils 120 bis 150 Teilnehmern in Berlin-Kreuzberg, einem Stadtteil mit einer großen türkisch-kurdischen Migration, durchgeführt. Eine dritte Kundgebung ist für den nächsten Mittwoch geplant. Auf den Kundgebungen haben unter anderem Teilnehmer von Solidaritätsdelegationen zu den Tekel-Arbeitern in Ankara von ihren Erfahrungen berichtet und es wurden Filme vom Tekel-Kampf gezeigt. Wir haben zehntausende Flugblätter verteilt u.a. vor Berliner Großbetrieben und auf einer Kundgebung der Gewerkschaft ver.di zur laufenden Tarifrunde im öffentlichen Dienst. So wollen wir die Kolleginnen und Kollegen über den Tekel-Kampf informieren, sie zur Teilnahme an unseren Solidaritätsaktionen aufrufen und Geld für den Streikfonds der Tekel-Arbeiter sammeln. Als nächstes planen wir, auf einem großen Platz in Berlin ein Zelt ähnlich wie die Zelte der Tekel-Arbeiter vor der Türk-Is-Zentrale aufzubauen. Bei so einer Dauermahnwache wollen wir auch Filme über den Tekel-Kampf zeigen.
2)Warum ist der TEKEL Kampf in Deutschland wichtig?
Der Tekel-Kampf ist Teil des europa- und weltweiten Kampfes gegen den Neoliberalismus. Die Tekel-Privatisierung ist auch eine Folge der EU-Politik, die dies von der Türkei als Beitrittskriterium verlangt. Mit dem Vertrag von Lissabon ist der Neoliberalismus quasi zum europäischen Verfassungsgrundsatz erklärt worden. Hier in Deutschland wurde vor fünf Jahren Hartz IV für Arbeitslose eingeführt. Das ist ein Status, in dem Arbeiter zu sogenannten 1-Euro-Jobs gezwungen werden können. Der 4/c-Status, den die Regierung den Tekel-Arbeitern geben will, ist das türkische Gegenstück zu Hartz IV. In beiden Fällen geht es darum, einen Niedriglohsektor aus fast rechtlosen Arbeitssklaven zu bilden, um damit die Löhne insgesamt bis ans Existenzminimum zu drücken. Die Tekel-Arbeiter zeigen uns, wie sich dagegen Widerstand organisieren lässt. In Deutschland sind politische Streiks, Solidaritätsstreiks und Generalstreiks ebenso wie in der Türkei verboten. Aber während hier die Linkspartei im Parlament um das Recht auf Generalstreik bettelt, nimmt sich die türkische Arbeiterbewegung trotz der Drohungen durch die Regierung einfach dieses Recht. Davon können wir in Deutschland lernen. Wir müssen lernen, mit unserer Regierung auch türkisch und kurdisch zu sprechen!
3)Wie wird die Haltung von AKP Regierung gegen TEKEL Arbeiter in Deutschland bewertet?
Die allermeisten Menschen wissen überhaupt nichts vom Tekel-Kampf, weil bis heute außer der sozialistischen Presse keine der großen Tageszeitungen darüber berichtet hat. Hier halten die Menschen Erdogan für einen demokratischen Reformer, weil er in der Presse so präsentiert wird. Aber diejenigen, die wir mit unseren Flugblättern und den Artikeln in der sozialistischen Presse erreichen, sind alle empört über die Arbeiterfeindliche und undemokratische Politik der AKP-Regierung. Jeder, dem wir davon erzählen, ist spontan solidarisch mit den Tekel-Kollegen.
Helga Scmid, Gewerkschafterin und Aktvistin des Münchener TEKEL Komitees
1)Was macht das TEKEL Komitee in München
Zunächst muss man sagen, dass das Münchner Komitee zur Unterstützung des Kampfes der Arbeiter/innen bei TEKEL, in der verschiedene linke Organisationen und aktive Gewerkschafter/innen zusammenarbeiten, ein kleines Bündnis ist und von daher in seinen Einfluss- und Aktionsmöglichkeiten eingeschränkt ist. Es hat sich zum einen zum Ziel gesetzt, den Kampf der TEKEL-Arbeiter und den Kampf der türkischen Arbeiterklasse gegen die AKP-Regierung in München bekannt zu machen. Bisher berichtet ja nur die Junge Welt, eine linke Tageszeitung, über deren Kampf. Dafür soll es Ende Februar eine Informations- und Solidaritätsveranstaltung geben.
Auf der anderen Seite versucht das Komitee konkrete Solidaritätsaktionen durchzuführen - so hat das Komitee eine kleinere Kundgebung vor dem türkischen Konsulat veranstaltet - und diverse Gewerkschaftsgliederungen aus IG-Metall und ver.di zu Stellungnahmen zu bewegen – wie Solidaritätserklärungen, Spenden zur Unterstützung des Kampfes und Teilnahme an einer internationalen Gewerkschaftsdelegation.
2)Welche Erfahrung der Arbeiterklasse in Europa ist für TEKEL Kampf relevant?
Ich denke wir haben hier – gerade in Deutschland – schon zu oft die Erfahrung gemacht, dass die Gewerkschaftsverantwortlichen allzuoft bereit sind, statt die volle Kampfkraft der Arbeiterklasse zu entfalten, um die Forderungen durchzusetzen – es sei nur mal wieder auf den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst verwiesen, der derzeit in Deutschland läuft – lieber faule Kompromisse mit den Unternehmern eingeht, um den Standort Deutschland nicht zu gefährden!
Was die Entschlossenheit der türkischen Kollegen/innen von TEKEL erreicht hat, dass nämlich alle Gewerkschaftsorganisationen – auch eher konservativ ausgerichtete Gewerkschaftsströmungen – gemeinsam zu einem Aktionstag, d.h. zu einem politischen Massenstreik gegen die Regierung aufgerufen haben, davon sind wir hier in Deutschland weit entfernt. Trotzdem möchte ich Euch sagen, seit auf der Hut, vertraut nicht zu sehr auf die Gewerkschaftsverantwortlichen, die Euch einreden wollen, dass der Kampf nun zu Ende sei! Um den Kampf erfolgreich weiterführen zu können, ist es notwendig, dass Ihr eigene Strukturen aufbaut, mit dem ihr den Kampf unter Eurer eigenen Kontrolle weiterfortführen könnt, wie Streikkomitees lokal, regional und national koordiniert.
3)Was ist für Sie die Perspektive der internationalen Solidarität zwischen Arbeiterklasse in der Türkei und Deutschland?
Ich denke das betrifft verschiedene Ebenen:
Zum ersten: Wie oben schon angedeutet hat der Kampf der türkischen Arbeiter/innen die Führungen aller Gewerkschaften – ob eher staatstragend oder kämpferisch – dazu gezwungen gemeinsam einen politischen Massenstreik zu organisieren, von dem wir in Deutschland nur träumen können! Aber das zeigt uns gerade hier in Deutschland, dass es möglich ist, gegen Privatisierung und Verschlechterungen der Arbeits- und Lebensbedingungen, allgemein gesprochen gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf dem Rücken der Arbeiterklasse und der gesamten lohnabhängig Beschäftigten, zu handeln und die Gewerkschaften in die Einheitsfront gegen die Regierung und Kapitalisten zu zwingen. Von daher ist es sehr wichtig als ersten Schritt, dass über diesen Kampf in Deutschland informiert wird.
Zum anderen: Gleichzeitig wissen wir ja alle, dass in Zeiten der sog. Globalisierung, die Unternehmen ihre Produktion in sogenannte Billiglohnländer verlagern, um in der Jagd um neue Profite, günstiger produzieren zu können und sich damit einen Konkurrenzvorteil zu sichern. Was wiederum dazu führt, dass auf die Arbeitsbedingungen in ihren jeweiligen Standorten, sei es in Deutschland oder sonstwo in Europa, Druck ausgeübt wird. Insofern sehe ich das als einen Kampf gegen den gemeinsamen Gegner, das Kapital. Wir werden nur weiterkommen, wenn wir – die lohnabhängig Beschäftigten - uns über die nationalen Grenzen hinweg, solidarisieren und gemeinsam handeln. Begrüßenswert wäre es von daher, wenn dies dazu führen würde, dass wir über die Grenzen hinweg, gemeinsame Strukturen aufbauen könnten, in denen wir unsere Erfahrungen austauschen, uns gegenseitig beraten und gemeinsame Aktionen besprechen könnten – durchaus auch mit der Perspektive, ob es nicht notwendig ist über ein anderes Gesellschaftssystem nachzudenken, das ohne Profit und Ausbeutung des Menschen durch den Menschen auskommt.
Wir sammeln auch Spenden für die Streikkasse der Tekel-Arbeiter und wir fordern die Kollegen auf, Solidaritätsbotschaften an die Gewerkschaft Tekgida-Is und Protestfaxe an den türkischen Ministerpräsidenten zu schicken.
Interview: Suphi Toprak
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